Als die UEFA das Ticketportal für die EURO2012 in Polen und der Ukraine Anfang des Jahres 2011 öffnete und jedermann sich für Tickets für die Endrunde bewerben konnte, habe auch ich einen Antrag gestellt. Beworben hatte ich mich für alle Spiel in Posen und Warschau (warum eigentlich nicht für Breslau??). Am Tag der ersten Ticketverlosung habe ich zunächst keine E-Mail-Benachrichtigung erhalten. Spät abends wurde dann doch ein Blick ins Ticketportal selbst geworfen und siehe da: „Ihnen wurden Karten zugeteilt!“ Ok, es war nur eine, aber eine für das Eröffnungsspiel am 8. Juni 2012 im neuen Nationalstadion von Warschau.
Nun sitze ich hier in Berlin in einem kleinen Hotelzimmer und schreibe den ersten Beitrag für meinen Tourbericht zur EURO2012. Es ist der Abend des 7. Juni 2012, der Vorabend des Eröffnungsspiels in Warschau.
Nach der Kartenzuteilung hatte ich mir verschiedene Ideen zur Reise nach Warschau gemacht. Gelandet bin ich schließlich bei der Bahn. Der Berlin-Warschau-Express bringt einen in gut 5 ½ Stunden von der deutschen in die polnische Hauptstadt. Blieb noch die Frage nach einer Unterkunft. Diese Frage wurde schnell beantwortet: es braucht keine Unterkunft, da es am Morgen nach dem Spiel wieder retour gehen soll. Die Nacht wird sich auf den Straßen der polnischen Hauptstadt um die Ohren gehauen (also nur sprichwörtlich!).
Die Auslosung der Vorrundengruppen hatte mir die reizvolle Partie Polen gegen Griechenland beschert. Dies lies zumindest erwarten, dass es rund um das Spiel ruhig bleiben könnte.
Der heutige Tag begann mit dem Einpacken der wenigen Reiseutensilien. Die wichtigsten Sachen waren die Eintrittskarte und die Kamera. Um halb 12 mittags wurde der Regionalexpress in Wiesau bestiegen. Über Hof, Reichenbach (Vogtland) und Leipzig ging es mit der DB nach Berlin. In der Hauptstadt wurde nach einem kurzen Spaziergang (Richtung Poststadion) ein kleines Zimmer in einem Jugendgästehaus als Nachtlager vor der Weiterfahrt am nächsten Tag bezogen. Nach einem gemütlichen Einkaufsbummel in den Nachbarstraßen war es dann schon Zeit sich aufs Ohr zu hauen. Der Startschuss am nächsten Morgen sollte um 5 Uhr fallen.
Tag 2 begann wie erwähnt relativ zeitig. Per Bus ging es zum Berliner Hauptbahnhof, wo sich um 6.40 Uhr der Berlin-Warschau-Express auf den Weg machte. Mit im Abteil sitzt eine 5-köpfige Reisegruppe aus Berlin, die ohne Karte zur EURO nach Warschau reist; sie wollen so dabei sein. Die Fahrt über Frankfurt/Oder, Posen und einige polnische Dörfer vergeht dank der Unterhaltungskünste der Mitfahrer ziemlich zügig. Pünktlich zur Mittagsstunde erreicht der Express den Hauptbahnhof Warschau (Centralna). Hatte es während der Fahrt noch teilweise stark geregnet, so erwartet mich die polnische Sommersonne. Herrlich! Erstmal orientieren und klar Schiff machen. Danach die Fanmeile in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bahnhof von außen begutachtet. Der Zustrom zu dem in knapp 5 Stunden beginnenden Spiel der Polen schon jetzt ordentlich. Mich zieht es den (dürftig) ausgeschilderten Weg Richtung Nationalstadion. Um die Organisatoren ein wenig in Schutz zu nehmen, sei angemerkt, dass, umso näher man dem Stadion kommt, desto besser ist die Beschilderung. Stadteinwärts ist alles tiptop. Nur das System „Follow your (stand) colour!“ für das Erreichen des Platzbereichs (Gegengerade, Kurve, VIP) hat sich mir nicht erschlossen und war als solches nicht erkennbar, denn ich habe keine unterschiedlichen Farben auf der Beschilderung erkennen können.
Am Ufer der Weichsel (Wisla) wurden die ersten Fotos vom Stadion geschossen. Da es aber noch weit vor der Stadionöffnung um 15 Uhr ist, wird der Weg zum Stadion verlassen und entlang der Weichsel wird Richtung Altstadt marschiert. Dort haben sich ebenfalls viele polnische und griechische Fans versammelt und stimmen sich in den zahlreichen Cafés und Kneipen auf das anstehende Spiel ein. Um kurz nach 15 Uhr beschließe ich mich Richtung Stadion zu begeben. Genau in diesem Zeitpunkt beginnt es zu regnen.
Zuerst nur leicht, aber wenige hundert Meter vor dem Stadion öffnet der Himmel sämtliche Schleusen. Unter einer Brücke vor dem Stadion suche ich Schutz, geholfen hat es nicht viel – einmal komplett nass. Nach einer kleinen Pause geht es dann zu den Einlasskontrollen. Diese wird wider Erwarten relativ zügig gemeistert, liegt aber auch der unmotivierten Kontrolle (siehe „Blinker“ beim Abendspiel Russland – Tschechien oder der Auftritt der kroatischen Fans gegen Irland). Nun ja, wenn sie nicht wollen, dann halt nicht (nur in den Rucksack wollte der Herr dann doch gucken). Drin! Durch einen ebenerdigen Tunnel gelangt man den Innenraum. Ein einmalige Gefühl, vor allem, weil das Stadion um kurz nach 16 Uhr schon sehr gut gefüllt ist. Am Kiosk gibt es ein Carlsberg für 12 Zloty und eine Cola für 10 Zloty (jeweils 0,5l). Danach heißt es Warten auf den Beginn der Eröffnungsfeier, die ich sehr gelungen empfand. Punkt 18 Uhr gibt Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo das Eröffnungsspiel der EURO2012 zwischen Polen und Griechenland frei.
08.06.2012: Polen – Griechenland 1:1 (1:0), 56.070 Zuschauer
Polen versucht mit den lautstarken Fans im Rücken sofort Druck auf die Griechen auszuüben. Murawski setzt in Minute sechs das erste Ausrufezeichen, Chalkias klärt. Die Griechen brauchen einige Minuten um sich auf das Spiel der Polen einzustellen, können die Partie aber mit einigen Ballstafetten beruhigen. Die erste Annäherung an das gegnerische Tor nimmt Gekas in der 13. Minute vor. Die Angriffsbemühungen der polnischen Nationalelf sind aber bei weitem zielstrebiger als die Versuche der Griechen. In der 17. Minute herrscht totale Extase im Nationalstadion von Warschau. Blaszczykowski flankt von der rechten Seite mustergültig in den griechischen Strafraum, wo Lewandowski den Ball per Aufsetzer in die Maschen köpft – 1:0. Die Polen kontrollieren danach die Partie, die Griechen wählen die eher rustikalere Art und handeln sich die ersten Gelben Karten von Schiedsrichter Carballo ein. In der 44. Minute schickt der spanische Unparteiische den Griechen Sokratis nach einem vermeintlichen Foul mit Gelb-Rot vom Platz. Im Stadion nicht zu sehen, aber dafür auf den Fernsehbildern allzu deutlich, dass Murawski in dieser Szene zuerst wegrutscht und im Fallen von Sokratis leicht berührt wird. Danach ist Pause.
Zur zweiten Hälfte bringt Griechenlands Trainer Santos mit Salpingidis einen neuen Mann für die Offensive. Und der Joker sticht nur fünf Minuten nach Wiederbeginn. Gekas erreicht eine Flanke von rechts nicht, Szczesny im polnischen Tor kann den Ball nur zur Mitte abwehren. Da steht Salpingidis völlig frei und schießt den Ausgleich für die in Unterzahl spielenden Griechen – 1:1. Die polnischen Akteure auf dem Platz und die Fans auf den Rängen geschockt, die Griechen fortan mit mehr Spielfreude. In der 70. Minute der nächste Schock für die Gastgeber. Szczesny bringt Salpingidis im Strafraum zu Fall, klare Sache: Elfmeter für Griechenland und Rot für Szczesny. Der 25-jährige Tyton kommt in die Partie, um mit seiner ersten Aktion gleich im Elfmeterduell gegen Karagounis antreten zu müssen. Die polnischen Fans noch immer fassungslos. Karagounis läuft an, Tyton taucht in die linke Ecke ab und hält gegen den griechischen Kapitän. Der Jubel im Stadion fast so ausgelassen wie beim Führungstreffer. Die Polen schöpfen wieder Mut. Ihre Mannschaft kann an diesem Abend aber nicht mehr zulegen und so trennen sich Polen und Griechenland im Eröffnungsspiel der EURO2012 1:1 unentschieden.
Nach dem Spiel bewegen sich die Fanmassen über die Aleja Księcia Józefa Poniatowskiego Richtung Stadtmitte. Das Nationalstadion wird im Sonnenuntergang verlassen. Der Fußmarsch zur Fanmeile dauert etwa 40 Minuten. Viele Polen haben das Public-Viewing nach dem Spiel ihrer Mannschaft verlassen und so ist genug Platz, um das Abendspiel Russland gegen Tschechien auf der Großbildleinwand zu verfolgen. Die Verpflegung hier ist ebenfalls sehr gut. Eine Cola (0,5l) gibt es für 5 Zloty, das Bier kostet 8 Zloty. Im Anschluss an die Fußballübertragung treten auf der Bühne noch die Jungs von Afromental und ein DJ lässt den ersten Tag der EURO bis 1 Uhr nachts ausklingen.
Mein Zug nach Berlin fährt um 6:50 Uhr am Morgen. Die Nacht habe ich im Hauptbahnhof verbracht. Im Morgengrauen nehme ich noch ein kleines Frühstück zu mir und besteige dann den Berlin-Warschau-Express Richtung Deutschland. Die Fahrt verläuft ruhig, in Posen steigt eine deutsche Schulklasse ein, an Schlaf ist nicht mehr zu denken. In Berlin steige ich auf den Regionalexpress nach Dresden um. In Elbflorenz ist es dann mit der Herrlichkeit aber schlagartig vorbei. Der Interregio nach Nürnberg (ich muss bis Hof) umfasst nur zwei Triebwägen. An einem Samstagnachmittag bei bestem Wetter sind natürlich viele Radfahrer bereits im Zug. Ein Unding, aber inzwischen ja normal bei der DB. Auf der 2 ½-stündigen spiele ich des Öfteren mit dem Gedanken auszusteigen, es ist einfach rappelvoll im Zug. Mein Pullover macht dann auch den Abgang, beim Umstieg in Hof ist er weg – Fahnenflucht! Um 18:19 Uhr läuft der Alex pünktlich im Bahnhof Wiesau ein. Wieder zu Hause! Schön wars.
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